Interview mit Mattias Steinbichler

BIM, EPD und LCA: Ihr Fahrplan für gesetzliche Konformität und Marktsichtbarkeit

Die Bauindustrie steht unter immensem Druck, ihre Umweltauswirkungen zu reduzieren. Strenge Vorschriften zwingen Hersteller dazu, transparente und verlässliche Informationen über die Umweltleistung ihrer Produkte bereitzustellen. Das Ziel? Ambitionierte globale Klimaziele bis 2030 erreichen. Dieser Wandel wird durch strukturierte, digitale und umsetzbare Daten vorangetrieben, die sicherstellen, dass Produkte Nachhaltigkeitsstandards erfüllen und bei Planern sichtbar werden. In diesem Interview erläutert Mattias Steinbichler, Director of Expansion & Data Partners bei BIMobject, wie BIM (Building Information Modeling), EPDs (Environmental Product Declarations) und LCAs (Life Cycle Assessments) Hersteller dabei unterstützen, diesen Anforderungen gerecht zu werden.

Mit globalen Zielen zur Emissionsreduzierung stehen Hersteller unter zunehmendem Druck, strenge Nachhaltigkeitsvorgaben einzuhalten. Laut Mattias: „Wer diese Anforderungen nicht erfüllt, riskiert den Ausschluss von Schlüsselprojekten, da sowohl der öffentliche als auch der private Sektor nachhaltiges Bauen priorisieren.“

Zusätzlich erhöht sich der Druck durch die Marktnachfrage nach umweltfreundlicheren Gebäuden, die maßgeblich beeinflusst, wie Architekt:innen, Ingenieur:innen und Bauprofis (AECs) Materialien bewerten. Der wichtigste Aspekt dieses Wandels ist Daten – sie befähigen Hersteller dazu, gesetzliche Anforderungen zu erfüllen, die Sichtbarkeit ihrer Produkte zu verbessern und sicherzustellen, dass Planer:innen sich für ihre Produkte entscheiden.

Die zentralen Konzepte verstehen

Drei Schlüsselkonzepte helfen dabei, die Herausforderungen der Branche zu bewältigen und nachhaltige Praktiken zu fördern:

Building Information Modeling (BIM): BIM ist ein Prozess zur Erstellung und Verwaltung digitaler Darstellungen der physischen und funktionalen Eigenschaften eines Gebäudes. Es zentralisiert wichtige Daten wie Materialien, Leistungen und Abmessungen und schafft ein Rahmenwerk, das es allen Beteiligten ermöglicht, in jeder Projektphase auf entscheidende Informationen zuzugreifen. BIM-Objekte – digitale Versionen von Produkten – helfen Herstellern, ihre Produkte für AEC-Fachleute sichtbar und spezifizierbar zu machen.

Environmental Product Declarations (EPD): EPDs schaffen Transparenz über die Umweltauswirkungen von im Bauwesen eingesetzten Produkten. Diese standardisierten Berichte, die auf LCAs basieren, dokumentieren den CO₂-Fußabdruck eines Produkts, den Energieverbrauch und andere ökologische Auswirkungen über dessen gesamten Lebenszyklus. Durch die Einbeziehung von EPDs in die Produktauswahl können AECs gezielt nachhaltigere Produkte auswählen.

Life Cycle Assessments (LCAs): LCAs bewerten die gesamte Umweltwirkung eines Produkts oder Gebäudes über dessen gesamten Lebenszyklus – von der Rohstoffgewinnung über Produktion und Nutzung bis zur Entsorgung. Für Produkte bilden LCAs die Grundlage zur Erstellung von EPDs, da sie die erforderlichen Daten liefern, um Umweltwirkungen standardisiert und transparent zu deklarieren. LCAs bieten eine umfassendere Perspektive auf Nachhaltigkeit, da sie langfristige Auswirkungen statt nur unmittelbarer Effekte betrachten. Man kann sie als Gesundheitscheck für die Umwelt verstehen, der aufzeigt, wie nachhaltig ein Produkt oder Gebäude tatsächlich ist.

 

 

Die Rolle von Daten bei der Lösung regulatorischer und marktwirtschaftlicher Herausforderungen

1. BIM als digitales Rückgrat für die Produktsuche

Building Information Modeling (BIM) steht im Zentrum jedes nachhaltigen Bauprojekts. Es dient als zentrales Rahmenwerk zur Organisation und Verwaltung aller Projektdaten. BIM liefert eine detaillierte, digitale Darstellung eines Gebäudes – einschließlich Materialien, Mengen und Layouts. Dieser ganzheitliche Ansatz unterstützt AECs dabei, in jeder Phase fundierte Entscheidungen zu treffen und Nachhaltigkeit von Anfang an zu integrieren.

Für Hersteller von Bauprodukten liegt ein Schwerpunkt auf der Erstellung von BIM-Objekten – digitale Versionen ihrer Produkte, verknüpft mit allen relevanten technischen Daten, damit AECs sie direkt in ihre Arbeitsprozesse einbinden können. BIM ist die moderne Arbeitsweise von AECs – so entdecken sie Produkte für ihre Projekte. Das bedeutet: BIM ist das Vehikel, über das Ihre Produkte gefunden und spezifiziert werden. Laut dem „Architectural Barometer Q4 2023“-Bericht von USP nutzten 2022 bereits 44 % der Architekt:innen BIM. Bis 2025 wird dieser Anteil voraussichtlich auf 61 % steigen.

Die Nutzung von BIM und die Anzahl der Regierungen, die BIM bei Bauprojekten vorschreiben, steigen weltweit – sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor. Das verändert Kaufentscheidungen und zwingt Hersteller dazu, ihre Strategien zur Produktplatzierung neu zu überdenken.

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Mattias erklärt: „BIM ermöglicht es AECs, Produkte effizient auszuwählen und zu spezifizieren – basierend auf Anforderungen und Kriterien – und gleichzeitig die nötigen Analysen und Bewertungen für das gesamte Gebäude durchzuführen.“

2. EPDs für Transparenz und Materialauswahl

Während BIM die digitale Infrastruktur bereitstellt, sorgen EPDs für eine entscheidende Transparenz bei der Produktauswahl. Ursprünglich wurden EPDs entwickelt, um den Bedarf der Bauindustrie an verlässlichen, verifizierbaren Umweltdaten zu decken. Die Branche verlangte nach einer Möglichkeit, Informationen glaubwürdig und nachvollziehbar zu veröffentlichen – unabhängig geprüft und öffentlich zugänglich. Ohne diese Grundlage könnten Nachhaltigkeitsaussagen als Greenwashing abgetan werden – profitorientiert statt faktenbasiert.

EPDs dienen nicht nur der Regulierungs­einhaltung, sondern zeigen auch, dass Ihre Produkte auf die Nachhaltigkeitsziele Ihrer Kundschaft abgestimmt sind. Doch eine EPD allein sagt noch nichts über die Umweltleistung eines Produkts in verschiedenen Kategorien aus. Zum Beispiel kann CO₂-armer Beton bevorzugt werden, wenn seine EPD-Werte mit den Nachhaltigkeitszielen und bautechnischen Anforderungen eines Projekts übereinstimmen.

Neue Vorschriften führen inzwischen Schwellenwerte für Umweltleistungen ein. Um sich für öffentliche Ausschreibungen zu qualifizieren oder langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Hersteller möglicherweise nachweisen, dass ihre Produkte diese Grenzwerte übertreffen. Eine EPD reicht künftig nicht mehr – es braucht messbare Fortschritte in Bereichen wie CO₂-Reduktion und Materialeffizienz.

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3. LCAs für langfristige Wirkungsanalysen

Während EPDs einzelne Produkte bewerten, gehen Gebäude-LCAs einen Schritt weiter, indem sie den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes analysieren. Standardisierte Erklärungen und Methoden wie EPDs und LCAs werden zunehmend unverzichtbar, um die Umweltbilanz von Produkten und Bauwerken nachzuvollziehen und zu verbessern. Dabei werden auch langfristige Nachhaltigkeitsaspekte wie Wartungszyklen oder Produktersatz berücksichtigt. LCAs lassen sich zudem direkt in BIM-Modelle integrieren und helfen Projektteams dabei, die Langzeitwirkungen eines Gebäudes realistisch zu simulieren.

LCAs kombinieren EPD-Daten und BIM-Informationen, um die Nachhaltigkeit eines Gebäudes über dessen Lebenszeit hinweg zu modellieren. So kann etwa mithilfe von BIM-Daten zu Materialmengen und -orten vorhergesagt werden, wie oft bestimmte Produkte ersetzt oder gewartet werden müssen. Ein Beispiel: Wenn ein Teppich trotz technischer Lebensdauer von zehn Jahren alle fünf Jahre ersetzt wird, berücksichtigt das LCA-Modell diese Diskrepanz – für ein realistischeres Nachhaltigkeitsbild. Laut Mattias:

„LCAs sind Simulationen, die Annahmen mit realen Daten kombinieren – sie berücksichtigen Wartungszyklen oder Austauschraten und sind daher entscheidend für die langfristige Nachhaltigkeitsplanung. LCAs liefern ein genaues Bild davon, wie sich heutige Entscheidungen auf zukünftige Gebäude auswirken.“

Vorteile der digitalen Transformation im Bauwesen

Die Digitalisierung von Produktdaten hilft Herstellern dabei, der wachsenden Nachfrage nach Transparenz und ökologischer Verantwortung gerecht zu werden. Strukturierte Produktdaten – einschließlich EPDs und Materialspezifikationen – erleichtern es den Beteiligten, Produkte zu bewerten und in ihre Projekte zu integrieren.

Die Bereitstellung verlässlicher Umweltdaten in digitaler Form spart Zeit und Aufwand, da keine manuelle Datenerhebung mehr nötig ist. Das ermöglicht es Planer:innen, Umweltauswirkungen bereits in einer frühen Projektphase zu bewerten, Entscheidungen zu beschleunigen und nachhaltige Optionen dort zu priorisieren, wo sie am meisten zählen.

„Stellen Sie sich vor, Sie müssten für jedes Material manuell Produktdaten von verschiedenen Lieferanten einholen“, sagt Mattias. „Das ist immer noch die Realität vieler Projektbeteiligter. Digitale Daten beseitigen diese Ineffizienz und ermöglichen es AECs, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren – die richtigen Produkte für das Projekt und den Planeten auszuwählen.“

Das Ökosystem der BIMobject Group vereinfacht diesen Prozess zusätzlich, indem es Hersteller mit Architekt:innen, Ingenieur:innen und Bauunternehmen über einen Online-Marktplatz verbindet. Laut unserer BIMobject-Umfrage bevorzugen 68 % der Planer:innen die Online-Suche nach neuen Produkten – ein deutliches Zeichen für die zunehmende Bedeutung digitaler Plattformen bei der Produktauswahl.

„Planer:innen wollen Klarheit und Sicherheit bei ihren Entscheidungen“, erklärt Mattias. „Wenn Sie verlässliche Daten in einem vertrauten Format bereitstellen, sparen Sie ihnen nicht nur Zeit, sondern positionieren sich auch als Partner, der Nachhaltigkeit ernst nimmt.“

Warum jetzt Handeln entscheidend ist

In den kommenden Jahren wird die Bauindustrie mit einer Welle an Gesetzesänderungen konfrontiert – beginnend mit EU-Vorgaben, die Nachhaltigkeit, Transparenz und digitale Prozesse stärken sollen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, muss die Branche in Daten investieren, um Ressourcen und Emissionen in jeder Projektphase zu analysieren, zu messen und zu optimieren – und so neue Standards für datengestützte Umweltleistung zu setzen.

In der Europäischen Union setzen Rahmenwerke wie der EU Green Deal und die EU-Taxonomie strenge Nachhaltigkeitsstandards. Der EU Green Deal ist eine politische Strategie, die darauf abzielt, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen – mit Maßnahmen zur Emissionsreduzierung und nachhaltigen Industrieentwicklung. Die EU-Taxonomie ergänzt dies durch ein Klassifizierungssystem, das definiert, welche wirtschaftlichen Aktivitäten ökologisch nachhaltig sind – und verlangt von Unternehmen, die Umweltwirkungen ihrer Produkte offenzulegen. EPDs sind in diesem Zusammenhang unerlässlich geworden, da sie ein standardisiertes Format zur Nachweisführung bieten.

Mattias Steinbichler erklärt: „Vorschriften machen EPDs zu einem ‚Hygienefaktor‘. Ohne sie wird ein Produkt möglicherweise gar nicht erst berücksichtigt.“

Diese zunehmende Betonung von Transparenz bedeutet: EPDs sind für Ausschreibungen keine Option mehr – sie sind eine Grundvoraussetzung.

Zusätzlich zu regulatorischen Anforderungen treiben auch Marktanreize Hersteller zu nachhaltigeren Praktiken.Grüne Gebäudestandards wie LEED oder BREEAM steigern den Wert eines Projekts, indem sie umweltbewusste Kund:innen anziehen.

Da die Vorschriften strenger und die Markterwartungen höher werden, müssen Hersteller jetzt handeln: Sie sollten ihre Produktinformationen digitalisieren und sicherstellen, dass sie den regulatorischen Anforderungen entsprechen.

Möchten Sie EU-Vorgaben erfüllen? Erfahren Sie, wie Digitale Produktpässe die Einhaltung für Hersteller neu definieren.

Der Weg nach vorn für Hersteller

Mattias empfiehlt einen schrittweisen Ansatz für Hersteller, die digitale Transformation und Nachhaltigkeit vorantreiben möchten.

Produktdaten digitalisieren: Beginnen Sie mit der Erstellung präziser, strukturierter digitaler Datensätze, die alle relevanten Produktinformationen enthalten – bis hin zu Details wie Größe, Farbe oder Modellvarianten. So erfüllen Sie Nachhaltigkeitsanforderungen und andere wichtige Vorgaben und machen Ihre Daten vielseitig einsetzbar und wertvoller.

BIM-Content entwickeln: Wenn Sie die Sichtbarkeit Ihrer Produkte erhöhen und ihre Integration in Bauprojekte erleichtern möchten, brauchen Sie BIM-Content, einschließlich Revit-kompatibler Dateien. Das macht es Architekt:innen und Planer:innen einfacher, Ihre Produkte direkt in ihre Projekte einzubinden.

EPDs und LCAs integrieren: Bieten Sie detaillierte Nachhaltigkeitsinformationen, die über bloße Konformität hinausgehen, und präsentieren Sie Ihre Produkte als zukunftsorientierte Lösungen.

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